Viele tolle Dinge passieren hier gerade im Yukon-Blog. Zum einen wird es den kleinen Film über die Yukon-Expedition tatsächlich geben. Versprochen! Außerdem bauen wir im Blog fleißig um. Neue Fotos und Geschichten kommen auch noch. Und zur Überbrückung haben wir eine kleine Episode für Euch aus der großartigen Yukon-Zeit. Sie handelt: von unserem persönlichen Projekt Bart.
Yukon: Projekt Bart
Unsere Bärte wachsen und wachsen. Wir fühlen es jeden Morgen beim Aufstehen, wenn wir uns nach einer viel zu kurzen Nacht müde mit den Händen durchs Gesicht fahren. In den ersten Tour-Wochen sieht unsere Bartpracht allerdings noch reichlich ausbaufähig aus. So wie in der Teenagerzeit, als wir uns zum ersten Mal einen Bart stehen ließen. Und die Haare noch nicht so recht wussten, wo sie hinwollten und durften. Doch was bitte ist am Yukon die Alternative zum ungezügelten Bartwachstum? Jeden Abend zum Fluss zu stolzieren, um eine sauber geshavete Drei-Tage-Optik zu erhalten? Das wollen wir nicht, die Zeit haben wir nicht. Deswegen gilt unsere Devise: wachsen lassen, bis die Beringsee kommt.
Unser Bart-Projekt, es beginnt mit dem ersten Paddelschlag ins Yukon-Wasser. Und dann ziehen die Wochen auf dem Fluss ins Land, der Bart wächst langsam und ungleichmäßig. Bei mir mit dunkler Haarfarbe etwas schneller als bei Jan-Philipp mit dunkelblonder. Wir sind ehrlich gesagt froh, dass die einzigen Augenzeugen einstweilen vor allem die Bären und die brennende Sonne Kanadas sind. Und wir selbst haben in dieser Zeit sowieso anderes im Kopf, als uns um die Tageslicht-Tauglichkeit unserer Barthaare Gedanken zu machen.
Der Bart wird zum Störenfried
Wie illusorisch eine regelmäßige Rasur für uns wäre, merken wir täglich aufs Neue. Jede freie Minute inmitten dieser atemberaubenden Natur ist uns zu kostbar, als dass wir sie zur Zähmung widerspenstiger Bartpracht verwenden wollten. Irgendwann folgt jedoch ein heißer und wolkenloser Tag auf einer dieser zigtausenden Inseln inmitten des Yukon. Zu diesem Zeitpunkt sind die Oberlippenbarthaare derart nach vorne geprescht, dass unser Gesicht nicht nur zerzauselt aussieht. Sondern dass wir den Bart beim Sprechen und Essen als Störenfried empfinden.
Und weil wir sowieso auf den Abend warten müssen, bis wir wegen der Tagesstürme loskommen, säbelt die Schere meines Multitool-Werkzeugs den Oberlippenbart wieder etwas kürzer. Die kühne Idee, bei der Gelegenheit nach vier Wochen gleich den gesamten Bart oder die Frisur wieder in Form zu bringen? Wegen mangelnder Fähigkeiten und dem Gleichmut zweier viele Meilen gepaddelter Abenteurer über Bord geworfen.
Immerhin können wir mittlerweile einen regelrechten Vollbart unser Eigen nennen, der uns allein schon bei der Abwehr wilder Tiere hilft. Wilder Tiere namens Moskitos, die morgens und abends schwarmweise den Himmel verdunkeln und deren Lebensbestimmung es zu sein scheint, uns ohne Diskussion deutlich zu machen: eigentlich habt Ihr hier nichts verloren. Doch in einem ruhigen und moskitolosen Moment schauen sich Jan-Philipp und ich unsere inzwischen respektable Gesichtsbräune an und stellen einiges fest. Wir sind gerade nicht einfach nur glücklich. Sondern fühlen uns irgendwie auch sehr männlich. Und so paddeln wir Woche um Woche mit einer Dosis Abenteurerstolz weiter über den Yukon.
Kurz vor der Verwahrlosung
Doch bei jedem Vollbart kommt ohne gelegentlichen größeren Schnitt der Moment, in dem sein Träger endgültig in einen Zustand von Ungepflegtheit und Verwahrlosung übergeht. Dummerweise fällt dieser bei uns mit einer Zeit zusammen, in dem wir erst recht andere Prioritäten haben als ausgedehnte Körperpflege. Schlechter werdendes Wetter, Regen, heftiges Paddelpensum verlangen uns alles ab. So wird der Bart ungestört immer länger und straft im Vorfeld angestellten Berechnungen über den zu erwartenden Bartzuwachs Lügen. Er wächst und wächst und wächst. Bei mir sind mittlerweile blonde Bereiche zu erkennen, die mich angesichts meiner dunkelhaarigen Eltern an meiner biologischen Herkunft zweifeln lassen. Und sogar ein bisschen rot ist dabei.
Als wir schließlich nach zweieinhalb Monaten mit den beginnenden Herbststürmen an der Beringsee ankommen, erzählt unser Bart ohne Worte eine wortreiche Geschichte. Die Geschichte von zwei Mittdreißigern, die glattrasiert und gespannter Erwartung auszogen, den Yukon und Alaska zu entdecken. Und die nun am Ziel ihrer Träume angekommen sind. Unser Vollbart ist nach 65 Tagen auf dem Fluss das erste aller Souvenirs geworden.
Unser Bart wird zum Souvenir
Und was ist aus dem Plan geworden, dem Vollbart nach der Rückkehr in Deutschland mit einem Ritual wieder Lebewohl zu sagen? Er wird sang- und klanglos abgesagt. Und so tragen die beiden Menschen, die nie zuvor Vollbart getragen haben und ihn nur übergangsweise tolerieren wollten, besagten Vollbart bis heute. Und manchmal, wenn wir uns mit den Händen durch die Haare im Gesicht streichen, ist es wieder da, dieses Abenteuergefühl. Aus einer Zeit, in der der Bart mit jedem Tag wuchs, an dem wir Paddelschlag um Paddelschlag weiter in die Wildnis fuhren.
FOTOS: YUKONBLOG.DE